Am letzten Tag der Reise besuchte die Gruppe den Frankfurter «Main Tower» und hatte das Vergnügen, die Metropole aus 200 Metern Höhe zu betrachten. Danach konnten die Schüler und Schülerinnen den Nachmittag frei verbringen. Der Schreibauftrag: Ein Essay zum Thema «Frankfurt: Eine moderne Stadt?» oder zur Altstadt Frankfurts und deren Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg.
Amanda dos Reis, 20.06.2019
Es ist schwierig, die Stimmung einer Stadt zu beschreiben, in der man weder wohnt, noch für längere Zeit lebt und von der man somit nur einen Ausschnitt einer Stimmung während zwei oder drei Tagen zu Gesicht bekommt.
Was auf den ersten Blick offensichtlich scheint, könnte ja nur ein aufgestelltes Bild sein, welches nach einiger Zeit wieder zerfällt. Frankfurt als moderne Grossstadt, Menschenmengen, Stimmen, Stadtlärm, laute Nächte, voller flimmernder Lichter und Motorenlärm. Es könnte auch München sein, der Lichtverschmutzung nach zu urteilen, nachts sind nur wenige Sterne zu sehen.
Irgendwie komisch wie ähnlich sich europäische Städte doch sind. Besonders nachts und besonders die Menschen. Hetzend von Museum zu Museum, ein bisschen Kultur muss ja schliesslich immer sein und am Nachmittag ins Galeria Kaufhaus, nicht so wichtig ob in Frankfurt oder in Berlin.
Stimmengewirr, Durchsagen, wildes Gehetze, verspätete Züge, Bahnhofsstimmung wie aus dem Bilderbuch, Grossstadt eben. Gedränge in den S-Bahnen, viel zu wenig Platz für viel zu viele Menschen. Dutzend Kulturen auf engem Raum, verschiedene Sprachen und unverständliche Gespräche im Zug.
Aussicht vom Main Tower, Frankfurt ist gross, doch nichts gegen Paris, aber man muss ja nicht immer alles vergleichen. Grünes Frankfurt denkt man von 200m Höhe, Wälder, Parks und nach einigen Häuserreihen schon wieder Land, langsames Verlassen der Grossstadt. Für kurze Zeit am Anfang des 20. Jahrhunderts soll diese Stadt die flächenmässig grösste Deutschlands gewesen sein. Damals gewann die Wissenschaft zunehmend an Bedeutung und immer mehr Industrie siedelte sich an. Gründung der Universität Frankfurt im Jahr 1914. Es konnte ja niemand wissen, wie der 2. Weltkrieg der Stadt zusetzen würde. Denn im 2. Weltkrieg erlitt Frankfurt den wohl grössten Rückschlag seiner Geschichte. Frankfurt gehörte zu den grössten Städten Deutschlands, die am meisten litten. Durch die Luftangriffe der Alliierten wurden etwa 70% der Gebäude zerstört, fast die gesamte Altstadt lag unter Trümmern. Auch das Goethe Haus lag unter einer grauen Staubschicht begraben. Davon ist heute kaum noch etwas zu sehen, von den Trümmern, das Goethe Haus steht da, in mitten von neuen Gebäuden wirkt es irgendwie fehl am Platz. Ein antikes Magnet für Touristen, gut für die Stadt, aber eigentlich ist alles fake.
Das Waffeleisen, die Wasserpumpe und die vier ersten Treppenstufen, die in den 1. Stock führen, zählen zu den wenigen originalen Objekten von Goethe. Der Rest passt auch ganz gut ins Bild, alles Möbel aus Goethes Zeit, sagen sie im Museum stolz, in einem Nebensatz heisst es dann nach einem kaschierenden Husten, leider nicht mehr Originale. Aber man achte auf die ersten vier Treppenstufen, darauf setzte schliesslich auch der berühmte Goethe seinen Fuss. Irgendwie absurd das ganze Theater um ein Haus, was man nach einem Bombenangriff identisch nachbaute, nur damit es so aussieht als ob. Festklammern am Alten, Angst zu vergessen, als ob man Goethe vergisst, ist doch unmöglich, sogar sein Geburtshaus steht ja noch.
Nur ein kleiner Teil der Altstadt blieb nach dem Bombenangriff unzerstört. Einige Häuser, wie sie auch in Hannover stehen könnten, doch natürlich stehen sie heute unter Denkmalschutz. Enge, gepflasterte Gassen, fast wie in Zürich, natürlich irgendwie anders, aber Altstadt eben. Einige Strassen weiter neue Wolkenkratzer, glänzend und voller Glas, so sieht die moderne Welt aus.
Doch an den Altstadthäusern liegt einem viel, manchmal vielleicht sogar mehr, es sind Zeugen vergangener Zeiten. Doch was erzählen sie und heute noch? Warum investiert man so viel, um Altes zu erhalten? Was ist daran denn überhaupt noch «echt» nach all den Renovierungsarbeiten und Restaurationen? Sind es Erinnerungen an alte Zeiten, oder eine Flucht vor der Zukunft, die dazu bewegen, die alten Häuser zu erhalten? Vielleicht einfach nur Angst zu vergessen, die guten alten Zeiten
Projekt 113 - "Weimarer Reise-Journal" Jugendliche der Atelierschule Zürich schreiben auf ihrer Reise nach Weimar. Schreibcoach: Selma Matter.